Im Zuge meines Volontariats bei Radio Bonn/Rhein-Sieg hatte ich kürzlich die Ehre, das (hoffentlich) letzte Praktikum meines Lebens ableisten zu dürfen. Zu diesem Zweck habe ich vier Wochen lang bei der Zeitung angeheuert. Weit bewegen musste ich mich hierfür nicht, denn Radio und General-Anzeiger teilen sich mittlerweile eh ein Gebäude in der Justus-von-Liebig-Straße in Bonn-Dransdorf. Vom zweiten Stock ging es also abwärts in den News-Room der Zeitung.
Im Grunde ist dieser Austausch eine gute Idee, denn Radiosender und Zeitung gehören zur gleichen Verlagsgruppe und man sollte meinen, dass heutzutage, wo Vernetzung und Multimedialität im Journalismus permanent beschworen werden, die Trennwände zwischen Zeitung und Hörfunk längst gebröckelt sein müssten. Sind sie aber nicht. Fakt ist: Ich bin der erste Radiovolontär, der als Teil seiner Ausbildung bei der Zeitung reinschaut. Immerhin war zuvor schon eine Zeitungsvolontärin als erste „Austauschschülern“ bei uns im Radio.
Kurz gesagt: Der Arbeitsalltag beim Radio läuft trotz der großen brancheninternen Debatten um trimediales Arbeiten noch ziemlich getrennt von den Zeitungskollegen. So richtig kennt man sich noch nicht, obwohl man nun seit fast drei Jahren im selben Haus Tür an Tür wohnt. Zwar wird die Arbeit des Nachbarn akribisch beäugt – auf die Idee, darüber hinaus voneinander zu profitieren ist man aber bis jetzt noch nicht so richtig gekommen. Ich will hier nicht vom Kalten Krieg der Redaktionen reden, aber manchmal kam ich mir während meines „Austauschspraktikums“ ein bisschen so vor wie ein Botschafter auf Friedens- oder zumindest Erkundungsmission.
Die ersten zwei Wochen habe ich „klassisch“ bei der Zeitung verbracht: Erst eine Woche am Mantel-Desk (hier entsteht der in allen Lokalausgaben gleiche Teil mit Politik, Feuilleton, Sport, Panorama etc.), dann ein paar Tage der zweiten Woche am Regio-Desk (wo sozusagen die Regionalseiten „verwaltet“ werden) und ein paar Tage „im Vorgebirge“, also in der Redaktion für Alfter, Bornheim und alles was beim GA eben zum Vorgebirge zählt. Zwar ist der General-Anzeiger hier schon fortschrittlich unterwegs, indem er das News Room-Prinzip auf die Regionalteile angewendet, trotzdem wird hier noch eher klassisch „Zeitung gemacht“.
Die nächsten zwei Wochen lernte ich dann das „Online-Produkt“ ebendieser Zeitung kennen und merkte schnell, dass hier schon ganz anders gearbeitet wird und es sich wirklich um zwei unterschiedliche Produkte mit unterschiedlichen Herangehensweisen handelt – denn Zeitungsabonnenten sind nicht gleich Online-Leser. Zwar werden am Abend eines jeden Tages die Seiten des „Printprodukts“ teilweise „ins Internet kopiert“, wodurch wieder eine Art Angleichung zwischen Print und Online stattfindet. Trotzdem konnte man in diesen beiden Wochen im Kleinen gut den schwierigen Umbruch beobachten, in dem sich das Zeitungsgeschäft grade befindet.
Ich persönlich muss gestehen: Obwohl ich die ersten zwei Wochen „klassischer Zeitung“ alles andere als uninteressant fand, hat mich der Online-Journalismus, den ich mir auch mehr im Radio-Bereich wünschen würde, mehr gepackt. Zwar ist der GA durch seine etwas altertümliche Website ein wenig gehandicapt, trotzdem fand ich die Möglichkeiten, die Tools wie der Datawrapper, Storify oder die sicher noch etwas ausbaufähige Nutzung von sozialen Netzwerken bieten, überaus spannend.
Ebenfalls erfrischend war der Umstand, dass ich als Radiovolo mit Filmambitionen ermuntert wurde, mich trimedial auszutoben. Sei es durchs Erstellen von Bildstrecken oder Videoproduktionen, die allesamt einen Online-Mehrwert über den klassischen Zeitungscontent hinaus bieten sollten.
Neben komplett aus einer Hand (nämlich meiner) produzierten Videobeiträge, die man auch hier noch mal anschauen kann, bestand eine weitere spaßige Aufgabe darin, einen Text „mit multimedialer Ausrichtung“ zu Telefonschleifen von Bonner Unternehmen zu machen. In der Umsetzung war ich relativ frei – es sollten hier nur Fähigkeiten aus der Radioarbeit mit einfließen.
Und so entstand ein Artikel, der so sicher nicht ins „klassische“ Printprodukt des GA kommen würde, aber vielleicht auch im Online-Angebot des GA etwas aus dem Rahmen fällt. Einem Psychologen aus Münster, von dem ich auf Grund von vorheriger Zusammenarbeit wusste, dass er für jeden Spaß zu haben ist, setzte ich also Telefonwarteschleifen von Bonner Firmen, Behörden und Organisationen wie dem Bildungsministerium über Haribo, dem Bürgertelefon der Stadt, Solarworld bis Vapiano vor und ließ diese auf ihre Außenwirkung hin von ihm überprüfen.
Vorher mussten natürlich all diese Warteschleifen angerufen werden, was aus dem Studio von Radio Bonn/Rhein-Sieg aus passierte und sich als irre witzige Aufgabe herausstellte. Ungefähr 30 Mal musste ich verschiedenen Telefonisten/-innen erklären, warum ich lieber mit ihren Warteschleifen verbunden werden wollte, anstatt mit ihnen zu sprechen. Manche wussten überhaupt nicht, ob ihre Firma überhaupt eine Warteschelife hat oder wie sie mich da hineinstellen sollten. Um sich zu erkundigen stellten sie mich – ohne es selbst zu realisieren – in die Warteschleife, nur um mir im Anschluss zu erklären, dass sie nicht wüssten, wie sie mich in die Warteschleife schicken könnten.
Und wie so oft im Leben: Wenn man etwas möchte bekommt man es nicht, wenn man es nicht möchte, bekommt man es erst recht. So lief es auch bei der Post-Servicehotline: Anstatt der Warteschleife, die man als Postkunde ja fast schon erwartet, ging sofort eine freundliche Mitarbeiterin ans Rohr, die untröstlich war, dass sie nicht wieder zurück in die Warteschleife verbinden könne – das ginge technisch bei der Post gar nicht. Sie entschuldigte sich quasi, sofort ans Telefon gegangen zu sein und riet mir sogar, am nächsten Tag noch einmal zwischen 14 und 15 Uhr anzurufen – da wäre vermutlich mehr Andrang und die Chance auf längeren Genuss der Warteschleife höher.
Auch wenn der fertige Artikel über die Warteschleifen inklusive eingebundener Hörbeispiele am Ende logischer Weise nicht der Klick-Hit des Jahrhunderts war, hat die Arbeit an ihm doch auf eine erfrischende Weise Freude bereitet! Fast bin ich jetzt ein bisschen traurig, in meinen Sender zurückzukehren und mich wieder hinter die in den vier Wochen durchlässig gewordene Trennwand zwischen Print, Hörfunk und Online zu begeben.[soundcloud id=’135142549′]
Kaum zu glauben, wie schwer es ist, mit einer Telefonwarteschliefe verbunden zu werden! (Hier am Beispiel des Vapiano)
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