Vier Monate war ich ohne Smartphone. Vier Monate, in denen sich mein Alltag entschleunigt hat. Irgendwann im Oktober war mein Androide kaputt gegangen. Kalter Entzug von heute auf morgen. Kein schnelles Nachgucken einer Route bei google maps mehr, kein eiliges Checken des facebook-Status‘ oder des Maileingangs, keine Bilder meiner Nahrung mehr auf instagram, keine kurze Überprüfung belangloser Dinge bei google oder wikipedia. Und: Kein Dauergebimmel in der Hosentasche mehr. Ich muss gestehen: Auf all das zu verzichten, was für mich in den Wochen, Monaten, Jahren zuvor gewohnt und vertraut war – das fiel mir anfangs richtig schwer. Die Funktionen meines Telefons waren plötzlich auf die Grundidee der mobilen Kommunikation reduziert: Anrufen und angerufen werden. Vielleicht hin und wieder eine SMS. Internetfähigkeit besaß mein Ersatzhandy zwar prinzipiell – das Aufrufen von Webseiten und Beschaffen von Informationen geriet mit diesem alten Knochen aber eher zu einer Tortur.
Anfangs riss ich meiner Freundin unterwegs noch oft das iPhone aus der Hand und loggte mich schnell bei facebook ein, um bloß nichts zu verpassen. Beim gemeinsamen Bier mit Freunden beargwöhnte ich diese neidisch, wenn sie auf ihre Displays starrten. Obwohl ja eigentlich sie es waren, die sich da grade aus der realen Interaktion ausgeloggt hatten, kam ich mir ausgeschlossen vor. Aber nach und nach ließ die Wirkung der Droge Smartphone bei mir nach. Ich entdeckte wie angenehm es war, aus freien Stücken selbst zu entscheiden, wann ich meine Emails lesen wollte. Nicht das Vibrieren in meiner Hosentasche bestimmte den Zeitpunkt des Informationsabrufs, sondern: ICH! Eine verblüffende Erkenntnis. So musste es unseren primitiven Vorfahren im Jahr 2006 ergangen sein!
Versteht mich nicht falsch: Ich finde Smartphones super, bin ein großer Fan dieser Wundertüte mobiler Möglichkeiten. Deshalb habe ich mir nun auch wieder einen neuen Androiden gekauft. Trotzdem sollten wir uns die Souveränität über unseren Alltagsablauf nicht von den Smartphones aus der Hand nehmen lassen! Als ich mein neues Telefon nach vier Monaten ohne Phantomvibration in der Hosentasche schließlich mit meinem google-Account verknüpft, mich in die facebook-App eingeloggt und WhatsApp installiert hatte, fühlte ich mich wie ein Rentner im Computerkurs: Totale Reizüberflutung! Ständig bimmelte und vibrierte meine Neuanschaffung, ständig blinkte irgendeine Benachrichtigung im mir plötzlich dadurch noch riesiger erscheinenden Display auf. Alleine die digitalen Beglückwünschungen zu meinem Geburtstag – mittlerweile schon über zwei Monate alt – lösten ob der schieren zahlenmäßigen Übermacht Stress in mir aus.
Ich habe aus dieser Erfahrung gelernt. Und zwar folgendes:
- Push-Benachrichtigungen sind der Teufel.
- Die meisten Mails, die man über den Tag bekommt, sind nicht wichtig. Es schadet nichts, wenn man sie erst dann liest, wenn man Zeit dafür hat.
- Man muss nicht permanent über jeden theoretisch möglichen Kanal in Kontakt mit seinen Freunden sein.
- Smartphone-Nutzung am Tisch ist unnötig.
- Jedes Gerät hat einen Aus-Schalter.
Es geht also nicht um Verzicht, sondern um gesunden Umgang mit der permanenten Erreich- und Abrufbarkeit. Hieraus ergibt sich folgende Anleitung zum digitalen Fasten, mit der auch Technik-Nerds nicht verhungern müssen:
Schaltet euer Handy nachts aus!
Ehrlich. Es ist so banal, dass es schon fast verrückt klingt. Wer Nachts nicht für Freunde oder den Chef erreichbar ist, hat Feierabend. Wir haben alle ein Recht auf Feierabend. Nutzt es! Ich kennen genug Leute, die ihr Handy nachts an haben. Lass euch eins gesagt sein: Es gibt so etwas wie Wecker. Außerhalb des Handys. Wirklich wahr.
Schaltet Push-Benachrichtigungen ab!
Nicht jede App, egal ob Nachrichtenseite oder soziales Netzwerk, muss euch mit Gebimmel und Vibrato permanent über jeden Scheiß auf dem Laufenden halten. iPhone-Nutzer haben es hier besonders leicht. In den Einstellungen kann man mit einem Klick Push-Benachrichtigungen für alle Anwendungen abschalten. Der Verzicht mit Android ist da zwar über die jeweiligen Einstellungen jeder einzelnen App komplizierter, lohnt sich aber!
Richtet euch smartphonefreie Zonen ein!
Jeder kennt das: Man sitzt mit Freunden beim Bier, einer holt sein Handy raus. Ehe man „HSDPA“ sagen kann erliegen alle anderen am Tisch dem Gruppenzwang und kommentieren genau den facebook-Eintrag, den der Initiator grade gepostet hat – anstatt direkt mit ihm zu reden. Lösungsvorschlag: Einigt euch mit euren Freunden entweder darauf, dass Smartphones bei realen Treffen ganz tabu sind. Oder legt bestimmte Smartphone-Zeiten, wie etwa nach dem Essen, fest.
Nicht jeder Anruf ist wichtig!
Lass eure Freizeit nicht dadurch aufweichen, dass ihr einfach zu erreichen seid. Wenn Kollegen oder der Chef nach Dienstschluss anrufen, darf das auch gerne mal überhört werden. Gleiches gilt übrigens auch für jede dienstliche Mail nach Feierabend.
Urlaub ist Urlaub ist Urlaub!
Basta! Am besten eine Rufnummer nur dienstlich nutzen und das Handy im Urlaub einfach stilllegen. Dienstliche Mails im Urlaub nicht abrufen. Abwesenheitsbenachrichtigung mit freundlichem Verweis auf die Vertretung wirken wahre Wunder.
Das alles klingt in der Theorie ganz einfach und zumindest auf der technischen Seite (Push-Benachrichtigungen ausschalten) ist es das auch. Probiert es einfach mal aus. Tote Hose war nie schöner!
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