EinsPunktNull

Selbstversuche einen Tag, ein paar Tage, eine Woche, ein paar Monate oder eine unbestimmte Zeit ohne Internet, Handy oder ohne Internet auf dem Handy zu überleben gibt es viele. Wir Journalisten tun das, wenn uns langweilig ist, Sommerloch herrscht oder wir uns digital selbst geißeln wollen, in dem wir online über unsere online-Abstinenz berichten.

Ich selber würde nie freiwillig auf das Internet verzichten wollen. Warum auch? Hier gibt’s ja schließlich alles: Über drei Milliarden google-Treffer in 17 Hundertstelsekunden zum Suchbegriff „Sex„, nen Südkoreaner der sich kein Pferd leisten kann und viele, viele, wirklich viele süße Katzenbabies.

Trotzdem bin ich grad sozusagen offline. Also nicht in diesem Moment, da sitz ich schließlich vor nem Klapprechner und futter gebrannte Mandeln und tippe diesen Satz hier ein. Nein: Ich habe im Moment kein Smartphone, bin also sozusagen offline 2 go.

Wie es dazu kam, ist schnell erzählt: Mein Samsung Galaxy SII besaß die Freundlichkeit kurz vor Ablauf seiner zweijährigen Gewährleistung  seinen Geist aufzugeben (an dieser Stelle mal fette Props an die sonst so oft gescholtenen Homies von der EU!). Das US-amerikanische E-Commerce-Versandhaus amazon.de erstattete mir nach zwei erfolglosen Reparaturversuchen seinerseits den Originalkaufpreis von ca. 540 Euro zurück – was ein feiner Zug ist, wenn man bedenkt, dass das gleiche Gerät aktuell bei amazon für rund 340 Euro zu haben ist.

Da ich aber als Pre Paid-Nutzer und notorischer Handyvertrag-Verweigerer noch darauf warte, dass das LTE-fähige Nachfolgemodell zu amazon kommt (man will ja schließlich im Falle eines Falles die gleiche bequeme Gewährleistungsabwicklung in Anspruch nehmen), obwohl es noch gar keine LTE-Option für Pre Paid-Kunden gibt, renne ich grade mit einem Telefon der Pre-Smartphoneära herum: Dem fabelhaften Samsung Jet S8000.

Dieses Telefon stammt aus einer Zeit, in der das iPhone seine unangefochtene Spitzenposition im Smartphone-Markt noch behaupten konnte, in der Samsung sich noch recht unbeholfen ans Smartphonesegment rantastete und Apple es noch nicht nötig hatte aus Innovationsmangel mit Patentklagen um sich zu werfen.

Dass Samsung auch schon damals zweifelsfrei vom iPhone geklaut hat steht außer Frage – nur ging bei Apple wegen des Jet8000 noch keinem die Muffe – weil es eben ein grotten schlechtes Smartphone war.

So sah das Internet 2009 aus. Im Hintergrund: Lecker gebrannte Mandeln von 2012.

Und genau das ist aktuell mein Problem: Ich laufe mit einem Telefon herum, das zwar die Grundbedingungen eines Mobilgeräts erfüllt (telefonieren und SMS schicken), welches aber beispielsweise einen Touchscreen hat, der nicht auf Hautkontakt, sondern auf energischen Druck, am besten mit dem Fingernagel, reagiert. Mein aktuelles Telefon gehört außerdem noch zu den Samsung-Modellen, die nicht auf Android, sondern auf irgendeine Softwareeigenentwicklung gesetzt haben und sich als Sackbahnhof der Handyevolution herausstellen sollten. Außerdem stammt das Gerät noch aus einer Zeit in der Handies – im Gegensatz zu heute – klein und schick sein wollten – was deutlich auf Kosten der Bedienbarkeit geht. Große, berührungsempfindliche Displays sind zum Schreiben mit virtuellen Tastaturen eben doch besser geeignet als winzige Telefone, in die man versehentlich beim Scrollen mit dem Daumennagel Kratzer hineinpresst.

Aber das war erst mal nur die technische Seite des „kein Smartphone“-Problems. Es gibt allerdings auch die praktischen, alltäglichen, sozialen Probleme mit einem Nicht-Smartphone: Als Arbeitsgerät ist mein Handy zum Beispiel nicht zu gebrauchen. Ich kann weder vernünftige Bilder machen und diese auch nicht vernünftig in die Redaktion mailen, wenn ich als Reporter draußen bin.  Sendefähige Aufsager mit dem Telefon sind nicht möglich, ebenso wenig eine vernünftige Navigation durch die Straßen der Republik.

Was ich darüber hinaus noch festgestellt habe: Mir fehlt zwar unterwegs der Komfort mal eben schnell in der Bahn-App nach einer Verbindung zu suchen, mich mit Google Maps durch die Straßen führen zu lassen oder der Nervenkitzel, eine unzureichend sicherheitsverschlüsselte WhatsApp zu schreiben. Es ist beschämender Weise aber viel eher die facebook-Abstinenz, die mich anfangs nervös gemacht hat. Wenn am Tisch alle ihre Handies auspacken und sicher wichtige Dinge tun, sitze ich daneben und frage mich still, ob ich wohl bei facebook was verpasse. Lustige Handyfotos in Soziale Netzwerke zu stellen – darauf muss ich jetzt auch verzichten, wie gemein. Tatsächlich erwische ich mich manchmal dabei, wie ich das iPhone meiner Freundin mopse, um mal kurz bei facebook reinzuschauen.

Ich hoffe also, dass amazon bald das von mir gewünscht Smartphone anbietet, damit meine Forschungsreise zurück zu den Menschen des Jahres 2009, die sich kein iPhone leisten konnten, beendet werden kann. Bis dahin freue ich mich aber noch darüber, dass mein Akku mit einer Aufladung eine ganze Woche übersteht.


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